5. Eintrag

Mittlerweile sind die Weihnachtsferien vorbei und ich habe einiges erlebt, was ich euch in einem neuen Blogeintrag erzählen möchte.

Fangen wir mit Weihnachten an. Wie es sich für einen vorbildlichen Christen (😉) gehört, bin ich mit meiner Gastfamilie am 24. abends und am 25. morgens in die Kirche gegangen. In der sonst gewohnten Messe gab es eine interessante Tradition, bei der jede Person das Knie des Jesuskindes, welches vom Father gehalten wurde, küssen durfte. Dabei haben die Ministranten immer mit Desinfektionsmittel und Tuch fleißig gewischt. Trotzdem habe ich das aus hygienischen Gründen mal lieber gelassen. Nach den beiden Gottesdiensten gab es mit der Gemeinde noch eine Feier mit Feuer, Tee und ganz viel Essen. Auch bei uns im Dorf haben wir Weihnachten gefeiert, was aber größtenteils – wie immer – aus Essen bestand. Geschenke dürfen dabei natürlich auch nicht fehlen und ich habe von meiner Gastfamilie ein etwas moderneres Lepcha-Dress mit Hut bekommen, worüber ich mich unfassbar gefreut habe, da ich jetzt ein eigenes besitze, das ich auch mit nach Deutschland nehmen kann. Ansonsten gibt es hier an Weihnachten noch die Tradition des „Carol Singing“. Wie bei uns an Heilige Drei Könige laufen die Kinder in großen Gruppen in den Dörfern von Haus zu Haus und singen mit Instrumenten traditionelle und nepalesische Weihnachtslieder, wobei ich auch das ein oder andere deutsche Lied erkannt habe. Im Gegenzug bekommen die Kinder Spenden und ganz viele Süßigkeiten.

Schnell vergingen die Tage und so stand Silvester vor der Tür. Bei uns im Dorf wurde dafür eine kleine Bühne hergerichtet, auf der am Abend Klein und Groß Lieder und Tänze aufgeführt haben. Kurz vor Mitternacht wurde ein großes Feuer entzündet und zu meiner großen Freude gab es dann noch ein Feuerwerk, was so gut wie das einzige in der Umgebung war. So schnell wie wir ins neue Jahr 2024 gestartet waren, so schnell sind dann auch alle schlafen gegangen, was für mich natürlich etwas ungewohnt war.

Während die Musiklehrer im November letzten Jahres an Diwali bei der „Deusi“-Tradition unsere Performance live gestreamt haben, gab es von einem begeisterten Zuschauer eine Anfrage, ob wir nicht bei einem neuem Festival auftreten wollen. Und so ging es für uns Anfang Januar zum „Adventure Festival“ nach Yelbong, das etwa drei Stunden von Kalimpong entfernt liegt. Dabei sind wir mit Instrumenten vollbepackt auf Motorrädern in schöner Landschaft durch Täler, über Berge und schließlich auch einem Abschnitt des „Asian Highway“ gefahren. Dabei handelt es sich um einen Teilabschnitt der chinesischen Seidenstraße, den man sich wie eine noch unbefahrene breite Autobahn über die Berge vorstellen kann. Auf dem Festivalgelände gab es neben der Bühne, auf der durchgehend Musik gespielt oder getanzt wurde, viele Stände mit Essen, Kunst und anderen Sachen. An zwei Abenden haben wir dann unsere Lieder vorgespielt, die wir auch schon damals gewählt hatten, wobei ich wieder mit der Ukulele phänomenal begleitet habe. In unserer Gruppe war auch ein Freund der Musiklehrer dabei, der mit ihnen damals zur Gandhi Ashram School gegangen war und heute ganz nebenbei Concertmaster im indischen Sinfonieorchester ist, was somit nicht nur für die Zuhörer sondern auch für mich eine große Ehre war. Da wir den „Adventure“-Teil nicht auslassen wollten, ging es an einem Vormittag zum nahegelegenen Canyon, bei dem wir klettern und durch (sehr kaltes) Wasser wandern konnten. Ansonsten haben wir anderen Leuten bei ihren Aufführungen zugehört oder die Zeit auf dem Campingplatz neben dem Festival verbracht, wo wir auch geschlafen haben.

Mitte Januar stand bei mir im Dorf eine große Hochzeit an, bei der die Cousine meines Gastvaters, die auch Lehrerin an der GAS ist, geheiratet hat. Wie ich schon im letzten Blogeintrag erwähnt habe, bedeuten Hochzeiten immer eine riesige Anzahl von Gästen und so mussten auch  hier einige Vorbereitungen, wie z.B. Deko, Bestuhlung und das ganze Essen, getroffen werden. Einen Tag vor der Hochzeit wurde noch die Verlobung gefeiert. Dazu kam der künftige Bräutigam mit seiner engsten Familie zu uns ins Dorf, wo es eine kleine Verlobungssegnung mit Austausch der Ringe durch einen befreundetet Father gab. Entgegnen der typischen Mitgift-Tradition, die man sonst aus Indien mitbekommt, ist es hier in der Gegend der Fall, dass die Familie des Bräutigams Geschenke mitbringt, wobei es tatsächlich mehr wie ein überdimensionaler Wocheneinkauf ausschaut, wenn 20kg Fleisch, Obstkörbe und Klamotten auf dem Tisch stehen. Am nächsten Morgen ging es dann in einer weißen Autokolonne zur Kirche, wo die Trauung stattgefunden hat. Viele haben ihre traditionelle Lepcha-Kleidung getragen und auch ich konnte endlich mein neues Lepcha-Dress präsentieren. Für den restlichen Tag war die große Feier im Dorf angesagt, wobei es fantastisches Essen gab. Meine beiden Mitfreiwilligen Flo und Ilka waren natürlich auch dabei und zusammen mit den Musiklehrern hatten wir viel Spaß.

Den zweiten Teil der Hochzeit, der zwei Tage später im Dorf des Bräutigams stattgefunden hat, haben wir (leider) verpasst, da es für uns drei Freiwillige am 15. Januar früh morgens auf zum Zwischenseminar Richtung Süden nach Trichy (Tamil Nadu) ging. Dafür haben wir das Flugzeug genommen, da es sonst sehr wahrscheinlich nicht mit der Hochzeit geklappt hätte. Auch wenn momentan im Süden Indiens ebenfalls Winter ist, waren die 30 Grad im Vergleich zum Norden schon recht warm. Da will ich gar nicht wissen, wie es im Sommer ausschaut. Für das Seminar sind wir bei der Familie des Leiters Pater Xavier von den Steiler Missionaren untergekommen. Die Familie hat ein sehr hübsches Haus und hat uns herzlich aufgenommen. Insgesamt waren wir neun Freiwillige, die alle größtenteils unterschiedlicher Arbeit, von Schule über Krankenhaus bis hin zu Handwerk, nachgehen. In den folgenden sieben Tagen hatten wir unterschiedliche Einheiten über unsere Erfahrungen, die sich interessanterweise häufig geähnelt haben, interkulturelle Kommunikation, aber auch Diskussionen über spannende Themen wie Kastensystem und die politische Situation Indiens. Zwischendurch haben wir auch ein paar Ausflüge zu zwei älteren hinduistischen Tempeln in der Umgebung und zum jesuitischen St. Joseph College gemacht, wo wir die Gelegenheit hatten, mit Studenten vor Ort zu reden. Gegessen haben wir auch immer bei Xaviers Familie, die uns äußerst lecker mit südindischem Essen wie Poori oder Parotta mit Gemüse bekocht hat. Abgeschlossen haben wir unser Seminar mit einem Sonntagsgottesdienst bei der örtlichen Gemeinde, wo wir Freiwillige das Lied „Laudato si“ vorgesungen haben. Im Großen und Ganzen haben wir die Zeit zusammen mit Pater Xavier, der das Seminar super geleitet hat, sehr genossen. 

Doch die Zeit im Süden war noch nicht vorbei, da Ilka und ich uns vorgenommen hatten, ein bisschen in Tamil Nadu mit dem Bus umherzureisen. Begonnen haben wir unsere Reise am 21. Januar von Trichy nach Madurai zusammen mit Elena und Katharina, die wir beim Seminar kennengelernt haben und die dort arbeiten. Beide leben auf dem Pillar Campus des Pallotinerordens und ihre Projektaufgabe besteht aus Kindergarten und Schule. Sowohl die Zwei als auch die dort lebenden Fathers haben uns unfassbar gastfreundlich aufgenommen, sodass wir dort länger als geplant geblieben sind und sogar beim Jahresfest des Ordens dabei sein durften. In Madurai haben wir uns noch den Minakshi-Tempel angeschaut, der für mich der erste Tempel mit „neuerer“ Architektur war. Es war super interessant zu sehen, wie detailreich die ganze Anlage mit den Gottheiten gestaltet wurde. Wichtig zu erwähnen ist, dass man bei allen Tempeln immer seine Schuhe ausziehen muss, was erstmal gewöhnungsbedürftig ist. Auf dem Weg nach Pondicherry haben Ilka und ich noch einen Stop in Srirangam gemacht, wo der flächenmäßig größte Tempel des Landes steht. Die ganze Fläche kann man sich mit Mauerringen und Tempeln vorstellen, die kein Ende zu nehmen scheinen und gefüllt sind mit Läden und einer Menge von Menschen. Beim Reisen lernt man viel aus seinen Fehlern und so haben auch Ilka und ich gelernt, dass man sich nicht zu einem privaten Reisebus überreden lassen sollte, da der uns bei unserer Fahrt nach Pondicherry für den fünffachen Preis nur in einem Vorort rausgelassen hat. Von da an war uns klar, nur noch mit staatlichen Bussen zu fahren, die schneller und mit 100-200 Rupien (ca. 1-2€) für eine Zwei-Stunden-Fahrt günstig sind. Nichtsdestotrotz kamen wir sicher in der ehemaligen französischen Provinzstadt an, wo wir uns mit meinem Bruder Moritz und seinem Freund Nils, mit denen wir dann ein paar Tage gereist sind, getroffen haben. Nicht nur für die französische Altstadt „White-Town“ ist Pondicherry bekannt, sondern auch für den spirituellen Ort Auroville mit seiner Goldkugel und nicht zu vergessen den ganzen Sandstränden, auf die wir uns für etwas Erholung sehr gefreut hatten. Anschließend ging es für uns landeinwärts nach Tiruvannamalai, wobei es sich mit seinen Ashrams für Meditation ebenfalls um eine sehr spirituelle Stadt handelt. Dort haben wir auch besonders viele westliche Menschen gesehen. Highlight für mich war die Wanderung auf den Arunachala Hill zum Sonnenaufgang, wobei wir manchmal im Dunkeln etwas den Weg verloren hatten und es nicht der leichteste Anstieg war. Für die Aussicht besonders auf die weiße Tempelanlage der Stadt hat es sich aber definitiv gelohnt. Als vorletztes waren wir in Vellore, wo es ein riesiges Fort noch aus britischer Kolonialzeit und einen Tempel aus echtem Gold zu besichtigen gab. Bei diesem handelt es sich um einen privaten Tempel, dessen Besitzer es sich nicht hat nehmen lassen, bei dem sternförmigen Laufweg um den Tempel herum sich alle zwei Meter auf Plakaten darstellen zu lassen. Zum Abschluss haben wir ein paar Tage in Chennai verbracht, wo wir dank dem Jesuiten Father Dominic, den mein Bruder noch von seinem Freiwilligenjahr kannte, in einem jesuitischen Ashram wohnen durften. Am ersten Abend hat uns Father Dominic beim Loyola College, wo er auch arbeitet, zu einem sehr leckeren Essen eingeladen. Sowohl hier als auch schon beim St. Joesph College in Trichy herrschte eine viel entspanntere Stimmung im Vergleich zum Stadtbild drumherum und die Anlagen waren sehr gepflegt und modern. Am nächsten Tag sind Moritz und Nils schon weitergereist, da sie sich noch Kolkata und Darjeeling anschauen wollten, bevor wir uns wieder in Kalimpong getroffen haben. Für Ilka und mich hieß das, noch zwei Tage alleine Sightseeing zu machen, wobei wir die hübsche St. Thomas Basilica mit der Grabstätte des Jüngers und das staatliche Museum besucht haben, das ein sehr interessantes aber auch bunt zusammengewürfeltes Inventar aufweist. Eine Stunde außerhalb von Chennai waren wir im Ort Mamallapuram, der mit seinen beeindruckenden Felsentempeln nicht nur zu den ältesten Indiens  zählt, sondern auch den Titel des UNESCO Weltkulturerbe trägt. Als Fazit zu Tamil Nadu lässt sich sagen, dass wir eine ganz andere Kultur Indiens kennengelernt haben, die sich nicht nur in ihrer Architektur oder mit warmem Klima sondern auch durch die ganzen Menschen beispielsweise mit ihrer Verhandlungshingabe und insbesondere das leckere Essen gezeigt hat. 

Da sich unsere Winterferien so langsam dem Ende zuneigten, haben Ilka und ich uns wieder von Chennai aus Richtung Norden aufgemacht und zwar mit dem Zug. Generell ist Zugfahren in Indien sowohl wegen der riesigen Distanzen und den ganzen Reisenden als auch wegen der Ticketbuchung, die fast schon Glücksspiel ähnelt, eine besondere und günstige Erfahrung. Den ersten Teil der 2.300km-Strecke haben wir 28 Stunden in einem Nachtzug nach Kolkata verbracht. Aus den vier möglichen Zugklassen haben wir uns für A2 Sleeper entschieden, womit wir in einer Kabine zweimal zwei Betten übereinander hatten, was ausreichend Platz für uns und noch zwei weitere Gäste geboten hat. Beschäftigt habe ich mich die ganz Zeit höchst kreativ mit Netflix, Musik hören und Schlafen, was sich erstaunlich gut machen ließ. Falls sich zwischenzeitig bei uns der Hunger gezeigt hat, gab es entweder Essen vom Zug oder wir hatten selbst ein paar Snacks dabei. Entgegen des schlechten Rufes bezüglich Pünktlichkeit, kamen wir „nur“ mit zwei Stunden Verspätung an, was sich bei der Strecke gut vernachlässigen lässt. Da unser Anschlusszug allerdings erst acht Stunden später abfuhr, konnten wir die Zeit in Kolkata netterweise bei einem Bekannten von Ilkas Gastfamilie überbrücken. Knapp zwölf Stunden später nach Abfahrt des zweiten Zuges inklusive Taxifahrt in die Berge sind wir dann endlich wieder in Kalimpong angekommen. Es war sehr schön, nach den drei Wochen alle wiederzusehen, und in gewisser Weise hatte ich auch ein Heimkehrgefühl, was, wie ich denke, ein sehr gutes Zeichen ist. 

In den restlichen paar Tagen vor Schulstart haben Moritz und Nils noch kurz bei mir vorbeigeschaut, bevor es für sie auch wieder zurück nach Deutschland ging. Wir haben uns mit einer Lehrerin, die Moritz noch aus seinem Projekt in Baghmara kannte, in der Stadt getroffen und abends mit meiner Gastfamilie zusammen Momos gemacht, wobei wir alle sehr viel Spaß hatten.

Das neue Schuljahr hat für uns Lehrer mit einem Staff-Meeting begonnen, bei dem das diesjährige Thema „Culture of Human Excellence“ und der neue Stundenplan besprochen wurde. Statt schon fest unterteilter Stunden im Musikunterricht für Theorie, Praxis und Ensemble können wir Musiklehrer jetzt flexibler die Schwerpunkte setzen. Außerdem wurde beschlossen, dass der Klavierunterricht nach meinem Projektabschluss aus verschiedenen Gründen beendet wird und die Klaviere Teil eines neuen „Music Lab“ werden. Damit dem Ganzen ein würdiges Ende gegeben wird, darf ich zusammen mit den anderen Lehrern ein Konzert im Juni vorbereiten, wobei der Fokus besonders auf den Klavierschülerinnen und -schülern liegt. Als weitere Aufgabe darf ich jetzt auch zusammen mit der Ordensschwester der Schule den Musikunterricht im Kindergarten und der 1. Klasse machen, was bedeutet, dass ich schon zu Bangern wie das Fliegerlied oder KIKA-Tanzalarm tanzen durfte.

Zum Schulstart war es sehr schön, die ganzen Schülerinnen und Schüler wiederzusehen, und ich bin gespannt auf die kommenden fünf Monate, die ich hier noch verbringen werde. Um Ostern herum werden meine Eltern mich besuchen kommen, worauf ich mich schon sehr freue! Für die kommenden Einblicke könnt ihr immer in meiner Website Galerie oder auf meinem Instagram (@philippinindia) vorbeischauen und falls ihr Fragen habt, dürft ihr die auch immer gerne stellen! 


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