6. Beitrag

In den ersten Wochen des neuen Schuljahres durfte ich aufgrund einer Gesichtsrose zum ersten Mal das örtliche Krankenhaus besuchen. Um es kurz zu machen: Für eine Woche sah meine linke Gesichtshälfte ein bisschen aus wie ein Streuselkuchen, wobei der Arzt meinte, dass es höchstwahrscheinlich am warmen Klima in Indien liegt, das die Viren geweckt hat. Zum Glück ging es aber schnell wieder ohne Schmerzen vorbei und als kleines Andenken ist eine Harry Potter-Narbe übrig geblieben, womit ich jetzt gerne mal aufgezogen werde. Bei dem Krankenhaus handelt es sich um ein staatliches, wobei ich das System sehr beeindruckend finde. In Indien gibt es kein Sozialversicherungssystem, wie wir das aus Deutschland kennen, wodurch Behandlungen bei privaten Ärzten sehr teuer werden können. Das staatliche Krankenhaus bietet jedoch Behandlungen jeglicher Art für nur zwei Rupien (ca. zwei Cent), wodurch medizinische Versorgung wirklich für jeden Menschen zugänglich sein soll. Natürlich kommen Zusatzkosten durch längere Krankenhausaufenthalte, Operationen und Medikamente dazu und die Qualität der Behandlungen ist nicht auf höchstem Niveau, dennoch ist das meiner Meinung nach ein sehr beeindruckendes medizinisches Angebot. 

Das ganze hat mich nicht davon abgehalten, wie gewöhnlich weiter in der Schule zu unterrichten und auch mit dem Kindergarten und der ersten Klasse das Tanzbein zu schwingen. Mit den zwei Gruppen hatte ich nämlich den Auftrag bekommen, eine Einlage für einen Morgenappell Mitte März vorzubereiten und da die Kinder die deutschen Lieder so sehr mochten, hatte ich mich dazu entschieden, diese vorzutanzen. So standen eines Morgens 30 Kinder vor versammelter Schule und haben zu den beiden Liedern Tschu Tschu Wa und Fliegerlied vorgetanzt, was nicht nur sie sondern auch den Rest der Schule sehr amüsiert hat. Am Ende war ich sehr stolz auf meine kleine Tanzgruppe, die von der Schulschwester zur Belohnung noch Lollis bekommen hat. Die Performance könnt ihr euch hier anschauen.

Nicht nur in der Schule, sondern auch im Haus von meiner Gastfamilie gibt es immer etwas zu tun. So hat mein Gastvater spontan beschlossen, einen begehbaren Kleiderschrank selbst zu bauen, der auch ganz schick geworden ist. Das hat dazu geführt, dass der alte Schrank in ihrem Zimmer überflüssig wurde und somit in mein Zimmer gestellt wurde. Somit konnte ich endlich meinen „Kofferkleiderschrank“ auflösen, was mein Zimmer auch ein bisschen ordentlicher gemacht hat. Außerdem haben wir mittlerweile eine Haustür bekommen. Ja tatsächlich hat es seit der Erbauung des Hauses im Jahr 2021 keine Haustür gegeben und irgendwie hatte ich mich auch ein bisschen daran gewöhnt. Ich finde, dass das sehr viel über das familiäre und zutrauliche Leben hier im Dorf aussagt.

Am 25. März feiert Indien das Holi Festival. Den Ursprung hat das Fest der Farben im Hinduismus und wird als eine Art Frühlingsfest gefeiert, wobei mittlerweile Menschen jeglicher Herkunft und Religion mitfeiern können. Die bekannteste Tradition ist das gegenseitige Bewerfen mit Farben in der Öffentlichkeit. Dementsprechend waren meine Mitfreiwillige Ilka und ich auch sehr gespannt, an dem Tag in die Stadt zu gehen. Allerdings wurden wir recht schnell enttäuscht, da kaum etwas in Kalimpong los war, während wir die ganzen Bilder und Videos mit bunten Menschen aus anderen Städten in Indien gesehen haben. Am späten Nachmittag haben wir wenigstens doch noch ein bisschen Farbe ins Gesicht abbekommen und konnten einer größeren Hindu-Gruppe beim Feiern zusehen. Anscheinend ist das hier in der Bergregion nicht so sehr verbreitet.

Meine Stimmung blieb aber freudig, da schon kurz danach meine Eltern zu Besuch gekommen sind. Nachdem ich sie sehr emotional am Flughafen in Siliguri empfangen hatte, ging es für uns zuerst in den nördlicheren Bundesstaat Sikkim, wo wir einen 5-tätigen Rundtrip vor uns hatten. Da der Staat direkt an China grenzt, gibt es vor allem für Ausländer besonders strenge Sicherheitsmaßnahmen. Wir mussten uns beispielsweise bei der Einreise registrieren und hatten neben unserem Fahrer immer einen extra einheimischen Guide dabei, der mehrmals eine Vielzahl an Dokumenten vorzeigen musste, sobald wir näher an die Grenze gekommen sind. 

Unser erster Stopp war Gangtok, die Hauptstadt des Bundesstaates. Was früher mal eine buddhistische Pilgerstätte war, ist heute zu einer großen Touristenstadt herangewachsen, die von vielen Wanderern besucht wird, da sie so nah am Himalaya-Gebirge liegt. Dort hatten wir eine eintätige Sightseeing-Tour mit ein paar hübschen buddhistischen Monasteries, einer Blumenausstellung und einer Anlange mit Wasserfall.

Am nächsten Tag haben wir eine achtstündige Fahrt zur nordöstlich gelegenen Stadt Lachung angetreten, während der wir immer eine wunderschöne Aussicht auf das Flusstal oder die Berge hatten, wobei das Wetter allerdings leider nur bewölkt war. Trotzdem haben wir uns nicht beschwert, da der Regen glücklicherweise ausgeblieben ist. Teesta, der Fluss an dem wir entlang gefahren sind, war auch der, der letztes Jahr im Oktober der katastrophalen Flut ausgesetzt und für zahlreiche Überschwemmungen und Zerstörungen verantwortlich war. Auch jetzt waren die erschreckenden Auswirkungen in den Städten, auf den Straßen oder an Dämmen zu sehen. Besonders Lachen, die Stadt neben Lachung, ist immer noch von der Hauptstraße abgetrennt. Als wir spät in Lachung, das übrigens auf 2700m liegt, angekommen sind, erwartete uns ein deutlicher Temperaturunterschied, der auf fast 0 Grad gefallen ist. Da in unserem Hotel keine Heizung vorhanden war, haben wir dementsprechend lieber unsere Jacken beim Schlafen angelassen.

Da wir viel am nächsten Tag sehen wollten, ging es früh weiter ins nahegelegene Yumthang Valley, das auf 3700m liegt und vor allem für seine Rhododendron-Blüte bekannt ist. Allerdings waren wir dafür noch 2-3 Wochen zu früh, weswegen das Tal noch etwas kahl ausgesehen hat. Nichtsdestotrotz konnten wir einen idyllischen Fluss mit hübschen buddhistischen Gebetsfahnen, heißen Quellen und wilden Yaks bestaunen. Da wir noch genügend Zeit hatten, haben wir mit unserem Fahrer spontan entschieden, noch zum Zero Point zu fahren. Mit knapp 4700m Höhe ist das der nördlichste Punkt in Sikkim, den man mit dem Auto erreichen kann. Selbst im warmen Indien bedeutet eine solche Höhe, irgendwann auf Schnee zu treffen, was schlussendlich uns auch zum Verhängnis wurde. Eine Lawine vom Vortag versperrte die Straße und so mussten wir kurz vor dem Ziel wieder umkehren. Das klingt leichter, als es war, da immer mehr Autos nachgekommen sind und die schmale Straße das Wenden fast unmöglich gemacht hat. So haben wir ein bisschen Zeit auf quasi halber Strecke verbracht, wobei wir einen kleinen Schneemann gebaut und euphorischen Indern beim Schneeballwerfen zugeschaut haben. Schlussendlich haben wir es irgendwann, nachdem das Militär zur Hilfe gekommen war, geschafft, wieder loszukommen, und sind direkt wieder nach Gangtok zurückgefahren. 

Von dort aus ging es am letzten Tag unseres Rundtrips zum östlich gelegenen Tsomgo Lake. Auf ca. 3800m hat man einen wunderschönen Anblick des heiligen Sees, der rundherum mit einer Schneelandschaft versehen ist. Überraschenderweise ist an dem Tag auch die Sonne hervorgekommen, was nochmal ganz nett zum Abschluss war. Am späten Nachmittag sind wir dann nach Kalimpong aufgebrochen.

Dort wurden meine Eltern und ich ganz herzlich von meiner Gastfamilie empfangen. Dabei sollte ich noch erwähnen, dass meine Gastfamilie schon zwei Wochen davor ganz aufgeregt war, meine Eltern kennenzulernen und sich die ganze Zeit damit auseinandergesetzt hat, was es alles zu Essen geben soll. Dementsprechend hatten wir aber auch gleich einen ersten sehr leckeren Abend mit Kheer (indischer Milchreis) und selbst gemachten Momo, wobei meine Eltern ihre Künste im Falten ausprobiert haben. Außerdem haben sie ein paar Gastgeschenke, die hauptsächlich aus deutschen Süßigkeiten bestanden, mitgebracht, über die sich besonders meine Gastgeschwister gefreut haben. Am nächsten Tag stand Ostern an, was wir mit einem Gottesdienst in der Kirche begonnen haben. Auch meine Eltern haben die Messe als sehr schön empfunden, was nicht zuletzt an der musikalischen Gestaltung lag. Nach dem Gottesdienst durften wir natürlich auch mit vielen neugierigen Menschen reden, während es ein kleines Festessen gab. Da der Besuch meiner Eltern in Kalimpong „leider“ genau auf die Osterfeiertage getimet war, konnten sie die Gandhi Ashram School nicht während des Schulalltags sehen. Dennoch habe ich ihnen am Nachmittag noch eine kleine Führung gegeben und sie konnten den Direktor Virgil und Brother Gilbert kennenlernen. Zur Feier des Tages gab es am Abend bei unserem Haus noch ein großes Barbecue, wo einige aus dem Dorf dabei waren. Den letzten Tag in Kalimpong haben wir nach dem Mittagessen bei Ilkas Gastfamilie in der Stadt verbracht, wo Mama ihre Shopping-Liste vor allem für Gewürze auf dem lokalen Markt abarbeiten konnte. 

Für die letzten paar Tage des Besuchs meiner Eltern sind wir nach Darjeeling gefahren, nachdem sie sich ganz happy und dankbar von meiner Gastfamilie verabschiedet hatten. Zum Mittagessen wurden wir von unserem Zuständigen Father Paul in die Hayden Hall eingeladen, wo auch schon Flo mit seiner Mutter und ihrem Freund auf uns gewartet hat. Mit Ilka zusammen waren wir dann sieben Deutsche, was fast einer deutschen Invasion gleichzusetzen war. Die Zeit in Darjeeling haben wir zuerst mit einem Besuch des Mountaineering Institute verbracht, das ein paar interessante Ausrüstungen zur Bergbesteigung im Himalaya beinhaltet und die Geschichte von der ersten Besteigung des Mount Everest durch Tenzing Norgay und Edmund Hillary erzählt. Außerdem waren wir im Zoo, wo ich zum ersten Mal einen unfassbar süßen Red Panda gesehen habe, waren ein bisschen in der Stadt unterwegs und sind eine Teilstrecke um Darjeeling herum gewandert. Am nächsten Tag hieß es dann für mich, schon wieder Abschied von meinen Eltern zu nehmen, die ihre Rückreise nach Deutschland angetreten haben. 

Wieder zurück in Kalimpong ging es für mich gleich anspruchsvoll mit dem nächsten Projekt  weiter. Anfang Mai geht die Gandhi Ashram School mit Orchester, Chor und noch ein paar außerschulischen Akteuren auf eine große Tour namens „Strings of Hope“ in fünf umliegenden Städten. Das Ziel ist, die Schule gut zu etablieren und für die Zukunft Kontakte zu knüpfen, damit man derartige Projekte fortsetzen und eventuell sogar international erweitern kann. Bei den Aufführungen werden wir jeweils 15 sehr vielseitige Stücke spielen, die von We Are The Champions über Game of Thrones bis hin zu traditioneller indischer Musik gehen. Zur Unterstützung ist Rozemarijn, eine ehemalige Opernsängerin und Chorleiterin, aus Belgien angereist, mit der ich momentan zusammen den Chor vorbereite. Dadurch, dass wir erst vor zwei Wochen (ganz indisch spontan) mit den Vorbereitungen angefangen haben, befinden wir uns momentan in einem strammen Zeitplan mit intensiven Proben. Aber ich bin ganz zuversichtlich, dass wir das bis nächste Woche hinbekommen. 😉

Aktuell finden in Indien auch die Parlamentswahlen statt, die als größte nationale Wahl weltweit gelten. Deswegen habe ich in den letzten Wochen immer wieder öffentliche Wahlkampfveranstaltungen mitbekommen, bei denen viele Menschen mit Flaggen ihrer Partei durch die Stadt gelaufen sind. Die Wahlen finden in den Staaten jeweils nacheinander statt und momentan gehen die Menschen in Kalimpong an drei Tagen ihre Kreuze machen, wofür wir sogar schulfrei bekommen haben. Ansonsten merkt man deutlich das es mit dem wärmer werdenden Wetter wieder Richtung Sommer geht. Passend dazu hat auch vor kurzem der erste öffentliche Swimming Pool aufgemacht, den ich natürlich gleich ausprobieren musste. Wärmeres Klima bedeutet hier aber natürlich auch wieder, dass es so langsam mit dem Regen losgeht, wodurch der Strom wieder regelmäßig ausfällt. 

Nun bin ich sehr gespannt auf die Konzerttour nächste Woche und natürlich auch auf die nächsten und letzten (🥲) drei Monate hier in Indien, von denen ich euch bald wieder berichten werde. Für die kommenden Einblicke könnt ihr immer in meiner Website Galerie oder auf meinem Instagram (@philippinindia) vorbeischauen und falls ihr Fragen habt, dürft ihr die auch immer gerne stellen!


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